Klima und Gesundheit auf der COP30
Sophie Gepp vom Centre for Planetary Health Policy (CPHP) und Ko-Vorsitzende des GHHG-Lenkungskreises teilt ihre persönlichen Eindrücke von der COP30 in Belém.
Der Lancet Countdown on Health and Climate Change 2025 macht unmissverständlich deutlich: Der Klimawandel ist längst eine akute globale Gesundheitskrise. Hitzewellen, Extremwetterereignisse, Ernährungsunsicherheit und sich verändernde Krankheitsmuster belasten bereits heute Menschen und Gesundheitssysteme weltweit – mit besonders gravierenden Folgen für vulnerable Bevölkerungsgruppen.
Die COP30 in Belém stand insgesamt unter besonderen Vorzeichen. Ausgerichtet von Brasilien in Belém, dem Tor zum Amazonas, rückten Waldschutz, Entwaldung und indigene Rechte stärker ins Zentrum der politischen und gesellschaftlichen Aufmerksamkeit als auf vielen vorherigen COPs.
Besonders prägend war zudem die starke und sichtbare Präsenz der Zivilgesellschaft. Nach mehreren COPs in Ländern mit stark eingeschränkten Protest- und Beteiligungsmöglichkeiten waren soziale Bewegungen, indigene Gemeinschaften und lokale Akteure wieder deutlich präsent. Großdemonstrationen, die People’s COP sowie koordinierte Aktionen indigener Bevölkerungsgruppen verliehen Forderungen nach Anerkennung und Demarkierung indigener Territorien sowie nach direkter finanzieller Unterstützung politischen Nachdruck.
Gleichzeitig fand die Konferenz in einem schwierigen geopolitischen Kontext statt. Der Rückzug der USA, globale Kürzungen in der Entwicklungszusammenarbeit und eine insgesamt angespannte multilaterale Lage schwächten das Vertrauen in internationale Zusagen. Hinzu kam der weiterhin erhebliche Einfluss fossiler Interessen – rund jede*r 25. Teilnehmende war laut Analysen von Kick Big Polluters Out der fossilen Industrie zuzuordnen.
Gesundheit bei den Klimaverhandlungen
Welche Rolle spielt Gesundheit bei den Klimakonferenzen? Auf der COP30 zeigte sich Gesundheit auf drei Ebenen: als politisches Argument für ambitionierten Klimaschutz, über sektorale Initiativen und Commitments sowie explizit und implizit in zentralen Verhandlungssträngen. Entscheidend bleibt dabei: Das Beste für Gesundheit ist ein insgesamt ambitioniertes Ergebnis der COP.
1. Das Gesundheitsargument für Klimaschutz
Gesundheit wird häufig als das „human face of climate change“ bezeichnet. Auf der COP30 machten Gesundheitsakteur*innen deutlich, dass der Klimawandel keine abstrakte Zukunftsbedrohung ist, sondern bereits heute über Leben, Krankheit, Arbeitsfähigkeit und soziale Stabilität entscheidet – und dass ambitionierter Klimaschutz konkret Leben rettet.
Dies wurde durch koordinierte Aktionen, Side Events und eine große Demonstration von Angehörigen der Gesundheitsberufe unterstrichen. Ärzt*innen, Pflegekräfte und Public-Health-Expert*innen trugen dazu bei, die oft technisch geführten Verhandlungen auf nationale und lokale Kontexte herunterzubrechen und gesellschaftlich verständlich zu machen.
Das Gesundheitsargument für Klimaschutz spiegelte sich zudem erstmalig in den finalen Verhandlungsergebnissen wider: erstmalig verweisen COP- Beschlüsse explizit auf gesundheitliche Co-Benefits von Klimaschutz. Die „Mutirão“-Entscheidung hebt ausdrücklich die wirtschaftlichen und sozialen Chancen von Klimaschutz hervor – darunter Wirtschaftswachstum, Schaffung von Arbeitsplätzen, verbesserte Energieversorgung und -sicherheit sowie eine verbesserte öffentliche Gesundheit, und im Rahmen der Beschlüsse zu Just Transition wurden die Gesundheitsgewinne durch verringerte Luftverschmutzung und explizit erwähnt.
2. Initiativen im Gesundheitsbereich
Neben den Verhandlungen selbst wurden in den vergangenen Jahren zunehmend gesundheitspolitische Initiativen und Commitments im UNFCCC-Kontext etabliert. Auf der COP26 (2021) wurde erstmals ein Health Programme lanciert, dem sich inzwischen über 80 Staaten angeschlossen haben, mit Zusagen zu klimaresilienten und/oder emissionsarmen Gesundheitssystemen. Die COP28 (2023) verlieh dem Thema Gesundheit eine neue Sichtbarkeit, unter anderem durch den ersten Health Day und die Declaration on Climate and Health, die bislang von über 150 Staaten unterstützt wird.
Auch die brasilianische Präsidentschaft setzte Gesundheit auf der COP30 sichtbar auf die Agenda – als Teil der Action Agenda, mit vorbereitenden Konferenzen in Brasilien, einem Gesundheitstag sowie dem Launch des Belém Health Action Plan on Adaptation in the Health Sector (BHAP).
Der BHAP versteht sich als globale Roadmap zur Stärkung klimaresilienter Gesundheitssysteme und basiert auf drei Säulen:
- Überwachung und Frühwarnsysteme für klimabedingte Gesundheitsrisiken
- Evidenzbasierte Politik und Kapazitätsaufbau
- Innovation und nachhaltige Versorgungssysteme
Der Plan legt einen starken Fokus auf Gerechtigkeit und Vulnerabilität, bleibt jedoch klar auf Anpassung im Gesundheitssektor beschränkt. Bislang wird er von rund 30 Ländern und 50 Organisationen unterstützt. Das politische Buy-in ist damit sichtbar, aber begrenzt. Mehrere Staaten äußerten Unzufriedenheit, unter anderem wegen begrenzter Mitgestaltungsmöglichkeiten im Prozess, einzelner Formulierungen jenseits bestehender UN-agreed language sowie des aus ihrer Sicht zu engen Anpassungsfokus. Diese Kritik wird teilweise auch von zivilgesellschaftlichen Akteuren geteilt.
Entscheidend wird sein, ob und wie Elemente des BHAP wirksam umgesetzt, finanziell unterlegt und systematisch mit bestehenden UNFCCC- und WHO-Prozessen verzahnt werden.
Ein wichtiges Signal setzte zudem der Gesundheitstag mit der Ankündigung von 300 Mio. USD durch eine Climate and Health Funders Coalition. Diese Mittel sollen insbesondere Anpassungsmaßnahmen, den Ausbau klimaresilienter Gesundheitssysteme und evidenzbasierte Politikprozesse unterstützen. Auch in diesem Jahr trug der Health Pavilion wieder dazu bei, die Sichtbarkeit von Gesundheitsthemen zu erhöhen und den fachlichen Austausch zwischen relevanten Akteuren zu stärken.
3. Integration von Gesundheit im Querschnitt
Über spezifische Gesundheitsinitiativen hinaus war Gesundheit querschnittlich in mehreren Verhandlungssträngen präsent. An dieser Stelle soll ein Schlaglicht auf drei Themenbereiche gesetzt werden – letztendlich waren aber noch viele weitere Entscheidungen, wie etwa zu Finanzierung, Gender oder Schäden und Verlusten, wichtig für Gesundheit. Einen detaillierten Überblick gibt das COP30 Debrief der Global Climate and Health Alliance.
Minderung (Mitigation)
Der Ausstieg aus fossilen Energien war formal nicht explizit Teil der Verhandlungen, gewann jedoch politisch an Dynamik. Präsident Lula setzte das Thema in seiner Eröffnungsrede, und über 80 Staaten unterstützten später die Forderung nach einer Transition Away from Fossil Fuels (TAFF) Roadmap.
Ein formaler Durchbruch blieb aus: Weder eine TAFF-Roadmap noch eine Roadmap zu Entwaldung fanden Eingang in das Abschlussdokument, ebenso wenig eine explizite Erwähnung fossiler Energien. Die COP30 blieb damit in zentralen Fragen hinter den Erwartungen vieler Staaten und zivilgesellschaftlicher Akteure zurück. Zudem hat die COP keine klare Antwort auf die Ambitionslücke, die sich nach der Abgabe vieler neuer nationaler Klimapläne zeigt, gegeben.
Der Blick richtet sich nun auf den angekündigten Folgeprozess. In den kommenden Monaten sollen Roadmaps zu fossilen Energien und Entwaldung weiterentwickelt werden; für April 2026 ist eine erste internationale Konferenz zum Fossilausstieg in Kolumbien geplant. Gesundheitsakteure sollten diesen Prozess aktiv begleiten, um gesundheitliche Co-Benefits systematisch einzubringen.
Anpassung (Adaptation)
Anpassung ist für den Gesundheitssektor zentral, da sie darüber entscheidet, ob Gesundheitssysteme mit zunehmender Hitze, Extremwetterereignissen und veränderten Krankheitsrisiken umgehen können. Gleichzeitig bleibt sie massiv unterfinanziert; der letzte Adaptation Gap Report zeigt, dass die benötigten Mittel für Anpassung die tatsächlich bereitgestellten internationalen Finanzflüsse um etwa das Zwölf- bis Vierzehnfache übersteigen.
Ein Schwerpunkt der COP30 war die Einigung auf Indikatoren zur Messung globaler Anpassungsfortschritte im Rahmen des Globalen Anpassungsziels (GGA). Damit schloss die COP30 einen zweijährigen technischen Prozess ab, an dem auch zahlreiche Gesundheitsorganisationen beteiligt waren – ein wichtiger Meilenstein für die Verankerung von Gesundheit in UNFCCC-Prozessen. Eine Gruppe von Expert*innen, darunter auch Fachleute für den thematischen Bereich Gesundheit, hatte aus mehreren tausend vorgeschlagenen Indikatoren zunächst 100 Indikatoren zur Messung von Fortschritten im Bereich Anpassung identifiziert, darunter auch für den Gesundheitsbereich. Nach intensiven Verhandlungen wurde schließlich eine Liste von 59 Anpassungsindikatoren verabschiedet, darunter acht gesundheitsbezogene sowie mehrere Indikatoren zu den Means of Implementation (Finanzierung, Technologietransfer, Kapazitätsaufbau).
Trotz dieses Fortschritts bleibt das Ergebnis ambivalent. In letzter Minute wurden – teils hinter verschlossenen Türen – Änderungen an der Indikatorenliste vorgenommen, die deren Umsetzbarkeit sowie die Vollständigkeit der Indikatoren beeinträchtigen. Zudem bestehen weiterhin erhebliche Unsicherheiten hinsichtlich Operationalisierung, Methodik, Datenverfügbarkeit und Finanzierung des Monitorings.
Zur Finanzierung enthält das Abschlussdokument zwar eine Bezugnahme auf eine Verdreifachung der Anpassungsfinanzierung, jedoch erst bis 2035 und ohne klare Baseline – deutlich schwächer als die Forderung der LDCs nach 120 Mrd. USD bis 2030.
Prozessual wurde eine zweijährige Baku Adaptation Roadmap beschlossen, die weitere technische Arbeit (ggf. auch an den Indikatoren) sowie eine Stärkung der Umsetzung vorsieht, auch im Gesundheitsbereich. Die nächste Phase bietet Staaten die Möglichkeit, gesundheitsbezogene Anpassung stärker sichtbar zu machen – sofern dies politisch unterstützt und finanziell unterlegt wird.
Gerechte Wende (Just Transition)
Auf der COP30 fanden ebenfalls wichtige Verhandlungen zu Just Transition statt. Während dieser Verhandlungen wurde Gesundheit wurde insbesondere als Menschenrecht sowie im Zusammenhang mit sauberem Kochen, Luftqualität, Hitzebelastung von Arbeitnehmenden und der Care-Ökonomie sowie informeller Arbeit thematisiert.
Im Ergebnis wurden gesundheitliche Bezüge im Entscheidungstext verankert und ein Just Transition Mechanismus beschlossen. Dieser Mechanismus wurde von der Zivilgesellschaft ausdrücklich gefordert und begrüßt und stellt einen wichtigen Fortschritt dar.
Ausblick
Die multilaterale Zusammenarbeit steht spürbar unter Druck – sowohl in der internationalen Klimapolitik als auch in der globalen Gesundheitspolitik. Finanzierungslücken, geopolitische Spannungen und Blockaden durch Einzelinteressen prägen beide Felder.
Zehn Jahre nach seiner Verabschiedung bleibt das Pariser Abkommen dennoch ein zentraler Referenzpunkt. Die WHO bezeichnet es zu Recht als ein „fundamental public health agreement“. Vor Paris steuerte die Welt auf rund 4 °C Erderwärmung zu; heute liegen die Projektionen bei etwa 2,8 °C, bei vollständiger Umsetzung der nationalen Klimabeiträge bei etwa 2,3 – 2,5 °C. Das zeigt einerseits, was multilaterale Zusammenarbeit erreichen kann. Und andererseits ist es noch nicht ausreichend, um Menschen und Gesundheit zu schützen.
Das diesjährige Gutachten des Internationalen Gerichtshofs hat deutlich unterstrichen, dass Staaten völkerrechtlich verpflichtet sind, wirksamen Klimaschutz zu betreiben, um erhebliche Schäden für Mensch und Gesundheit – insbesondere für heutige und künftige Generationen – zu verhindern.
Es wird deutlich: Der COP-Prozess braucht Reformen, um den Herausforderungen besser begegnen zu können und diesen wichtigen Prozess, in dem alle Staaten am Tisch sitzen, zu stärken. Auf der anderen Seite braucht es Kooperationen von ambitionierten Staaten und Akteure, die bereit sind, voranzugehen.
Wichtig ist, dass sich Gesundheitsakteure dabei auf allen Ebenen einbringen und immer wieder betonen: Ambitionierte Klimapolitik ist nicht nur Umwelt- oder Wirtschaftspolitik, sondern präventive Gesundheitspolitik im großen Maßstab.