Erfahrungsbericht zur 76. Weltgesundheitsversammlung der deutschen Jugenddelegierten

29. Oktober 2023 I  Youth Delegates  I von : Miriam El-Mahdi

Im Jugenddelegiertenprogramm 2023 standen die Perspektiven und Meinungen von jungen Menschen im Mittelpunkt. Im Folgenden teilt Miriam ihre Erfahrungen:

Was hat mich motiviert, Jugenddelegierte zur Weltgesundheitsversammlung zu werden?

Globale Gesundheit und insbesondere die Arbeit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) interessierten mich schon seit Beginn meines Bachelorstudiums. Derzeit studiere ich Global Health im Master an der Universität von Kopenhagen in Dänemark und finde insbesondere gesundheitspolitische Prozesse faszinierend. Bevor ich Jugenddelegierte wurde, war ich bereits Mitglied im globalen Jungendnetzwerk „Young Experts: Tech for Health“. Dort engagiere ich mich für mehr Teilhabe von Jugendlichen und jungen Erwachsenen in der globalen Agenda rund um digitale Gesundheit und wir arbeiten mit verschiedenen anderen Jugendorganisationen zusammen, um dies gemeinsam zu ermöglichen. Noch immer sind junge Menschen oftmals benachteiligt, wenn es um aktive Teilhabe in politischen und internationalen Prozessen geht. Deshalb fand ich die Idee hinter dem Jugenddelegiertenprogramm toll. Es soll Jugendlichen und jungen Erwachsenen mehr Möglichkeiten geben, ihre Meinungen und Perspektiven in gesundheitspolitische Prozesse einzubringen.

Das Jugenddelegiertenprogramm, Bewerbung und Einstieg

Ich habe die Ausschreibung zum Jugenddelegiertenprogramm erst sehr spät gesehen und mich daher sehr kurzfristig beworben. Für die Bewerbung musste ich meinen Lebenslauf, ein Motivationsschreiben und einen Essay auf Englisch einreichen. Das Essay zu schreiben, fand ich besonders spannend, da ich hier eine Priorität in der globalen Gesundheitspolitik hervorheben und argumentieren konnte, warum Deutschland eine stärkere Position dazu einnehmen sollte.

Kurz nach dem Bewerbungsschluss wurde ich zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen, bei dem wir über Vorerfahrungen und Kenntnisse, Motivation, und Vernetzung zu Jugendorganisationen sprachen. Ich war in Deutschland, bevor ich Jugenddelegierte wurde, noch nicht besonders gut vernetzt, habe dies jedoch während meiner Zeit stark priorisiert.

Nur ein paar Tage später habe ich dann die Zusage erhalten und meine Zeit als Jugenddelegierte begann. Der Einstieg ins Jugenddelegiertenprogramm fand bereits im Dezember statt und ich hatte gleich die Möglichkeit die Exekutivratssitzung der WHO im Januar/Februar online mitzuverfolgen. Somit hatte ich viel Zeit, mich in meine Rolle einzuarbeiten bevor ich an der Weltgesundheitsversammlung (WHA) teilnahm.

Trotzdem war der Einstieg und das Onboarding von vielen Unsicherheiten geprägt. Das Programm ist sehr flexibel gehalten, damit jede/r Jugenddelegierte/r entscheiden kann, in welche Richtung es geht und welche Inhalte priorisiert werden sollen. Dies ist äußerst positiv, bedeutet jedoch auch, dass man größtenteils auf sich selbst gestellt ist und allein für die Ausarbeitung der Aktivitäten und Prioritäten verantwortlich ist. So lernte ich aber auch schnell viel Verantwortung zu übernehmen. Mir hat es in der Anfangszeit auch sehr geholfen, mich mit meinen zwei Vorgängerinnen Theresa und Anile auszutauschen, die mir auch bei der Einarbeitung halfen. Zudem konnte ich mich mit den Jugenddelegierten aus anderen Ländern vernetzen. Jedes Land organisiert sein Jugenddelegiertenprogramm anders und diese Vielfältigkeit hat mir geholfen, Prioritäten zu setzen und einen groben Arbeitsplan für meine Zeit als Jugenddelegierte festzulegen. In Zukunft kann es von Vorteil sein, eine strukturiertere Übergabe und Einarbeitung in das Jugenddelegiertenprogramm sicherzustellen. Um die Wissensübergabe zu verbessern und damit auch die Qualität des Jugenddelegiertenprogramms zu sichern, könnte eine Verlängerung des Mandats der deutschen Jugenddelegierten oder ein rotierendes/zeitlich überlappendes System in Erwägung gezogen werden.

Vor der Weltgesundheitsversammlung und Vernetzung mit der Jugend

In meinem Mandat steht, dass die/der Jugenddelegierte auf die Prioritäten der Jugendlichen in der globalen Gesundheit aufmerksam machen und zudem junge Menschen für das Thema begeistern soll. Für mich war insbesondere der Austausch mit anderen jungen Menschen wichtig. Auch wenn ich nie alle Stimmen der deutschen Jugend vertreten kann, war es mir doch sehr wichtig zumindest einige verschiedene Stimmen und Perspektiven einzubringen. Ich habe mich daher entschlossen, eine Umfrage durchzuführen, um zu erfassen welche Gesundheitsthemen für Jugendliche und junge Erwachsene von besonderer Bedeutung waren. Auf Grundlage dieser Umfrage habe ich anschließend drei Jugendkonsultationen zu den Themen Universal Health Coverage, Soziale Determinanten von Gesundheit und Klimawandel online veranstaltet. Die Ergebnisse der Jugendkonsultationen könnt ihr in diesem Artikel oder im Policy Brief (auf Englisch) nachlesen.

Sinn der Jugendkonsultationen war, dass sich junge Menschen über gesundheitspolitische Themen austauschen und verschiedene Perspektiven diskutieren. Weiterhin habe ich mir die Prioritäten und Meinungen der Teilnehmer für meine weitere Arbeit als Jugenddelegierte notiert und an das Bundesgesundheitsministerium zurückgespiegelt. Mir hat es wahnsinnig viel Spaß gemacht, die Jugendkonsultationen vorzubereiten und durchzuführen. Insbesondere die Diskussion mit allen Teilnehmenden war super spannend und bereichernd für mich. An dieser Stelle möchte ich mich auch nochmals bei allen Teilnehmenden der Jugendkonsultationen bedanken!

Für die Vernetzung mit der Jugend, Jugendorganisationen und anderen Jugenddelegierten zur Weltgesundheitsversammlung war auch Social Media (insbesondere Instagram) sehr wichtig. Dort habe ich während meiner Zeit als Jugenddelegierte regelmäßige Updates gepostet, Fragen von Interessierten beantwortet und vor allem auch meine Zeit bei der WHA dokumentiert. Mir persönlich liegt der Umgang mit Social Media eher weniger und musste mich zu Beginn erstmal einarbeiten. Allerdings ist Social Media ein wichtiges Medium, um in den Austausch mit anderen jungen Menschen zu treten.

Eine besonders wichtige Vernetzung war für mich die mit der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland (BVMD). Bereits zu Anfang meines Mandats habe ich die Vertretung des BVMD kontaktiert und über die gesamte Zeit hinweg einen engen Austausch gehalten. So hat mich der BVMD beispielsweise zu ihrer Sommermitgliedsversammlung eingeladen. Dort habe ich über das Jugenddelegiertenprogramm gesprochen und gemeinsam mit der Arbeitsgruppe Public Health und Geschlecht in der Medizin einen Workshop über Gender in der globalen Gesundheit durchgeführt.

Etwas später ist dann auch der Kontakt mit der Deutschen Gesellschaft für Public Health (DGPH-Fachbereich Studierende) entstanden. Gemeinsam mit Maurice Remy (Mitglied des WHO Youth Council) habe ich an einem Karrierewege Event, organisiert durch die DPGH, teilgenommen. Dort konnten wir von unseren ehrenamtlichen Tätigkeiten berichten.

Hospitation und Teilnahme an der 76. Weltgesundheitsversammlung (WHA)

Teil des Jugenddelegiertenprogramms war es auch, die Arbeit des Bundesgesundheitsministeriums besser kennenzulernen. Zu diesem Zweck habe ich eine einwöchige Hospitation im Referat Z23 (Globale Gesundheitspolitik) vor meiner Teilnahme an der WHA gemacht. Dort konnte ich vor Ort in Berlin an unterschiedlichen Meetings und Veranstaltungen teilnehmen, wie beispielsweise einem Austausch mit verschiedenen zivilgesellschaftlichen Organisationen. Gleichzeitig habe ich auch viel an dem Policy Brief  gearbeitet, den ich in eigener Initiative auf Grundlage der Jugendkonsultationen für das Bundesgesundheitsministerium verfasst habe.

Im Vorfeld der WHA hatte ich nach Absprache vom Bundesgesundheitsministerium das Themenfeld „Soziale Determinanten von Gesundheit“ zugeteilt bekommen. Dies stand bei der WHA auf der Agenda und ich durfte dazu das deutsche Statement im Namen der Jugend verfassen. Natürlich musste das Statement mit den anderen Abteilungen des Bundesgesundheitsministeriums sowie im Ressortkreis abgestimmt werden. Auch wenn ich nicht alles sagen konnte und manche Formulierungen abgeändert wurden, wurde mir hier sehr viel Spielraum ermöglicht und ich konnte die Meinungen und Prioritäten, welche sich aus den Jugendkonsultationen ergaben, sehr gut in das Statement einbringen.

Die Teilnahme an der Weltgesundheitsversammlung der WHO in Genf im Mai 2023 war definitiv das Highlight meiner Zeit als Jugenddelegierte. Die Tage in Genf waren sehr durchgetaktet, jedoch habe ich viele neue Kontakte schließen können, viele unterschiedliche Events und Side Events miterleben können und auch selbst auf Paneldiskussionen als Speaker teilgenommen. Besonders spannend waren hier die Kommitteesitzungen im Palais des Nations. Gemeinsam mit der deutschen Delegation habe ich viel Zeit in den Sitzungssälen verbracht und konnte mir die Statements anderer Länder zu verschiedenen Gesundheitsthemen anhören. Besonders interessant war es auch, die Statements der Jugenddelegierten aus anderen Ländern zu hören. Dabei konnte ich sehr viel über die Komplexität des gesundheitspolitischen Diskurses und die Rolle der WHO lernen.

Während der WHA hatte ich auch die Möglichkeit mich mit den Jugenddelegierten aus anderen Ländern zu vernetzen. Insgesamt gibt es derzeit 15 Länder, die ein Jugenddelegiertenprogramm durchführen. Wir haben über die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der verschiedenen Programme gesprochen und wie die jeweiligen Programme besser etabliert, strukturiert und aufrechterhalten werden können. Für mich war der Austausch mit dem kanadischen Jugenddelegierten besonders interessant. Das kanadische Jugenddelegiertenprogramm ist das am längsten bestehende Programm und sehr auf den Austausch mit kanadischen Jugendlichen und jungen Erwachsenen fokussiert. Auch wenn das deutsche Jugenddelegiertenprogramm erst seit drei Jahren besteht, ist es meiner Meinung nach bereits gut strukturiert und bemüht sich darum, die Jugend sinnvoll in die globale Gesundheitspolitik einzubeziehen. Zukünftig muss jedoch besser abgeklärt werden, wie die Beiträge der Jugend und der/des Jugenddelegierten in die Arbeit des Bundesgesundheitsministeriums eingebracht und sinnvoll weiterverwendet werden können.

Am 26. Mai hielt ich mein vorbereitetes Statement zum Agendapunkt soziale Determinanten. Ich war aufgeregt vor so vielen Menschen zu sprechen, aber es ist zum Glück alles reibungslos gelaufen. Im Statement habe ich insbesondere die gesundheitlichen Ungleichheiten für marginalisierte und vulnerable Gruppen hervorgehoben und über die Wichtigkeit gesprochen, diese Ungleichheiten ganzheitlich zu adressieren, beispielsweise durch leichter zugängliche und bedürfnisorientierte Gesundheits- und Sozialleistungen. Das Statement könnt ihr euch hier ansehen (Seventh Committee B meeting (27/05/2023) und Zeitstempel: 2:24:45).

Insgesamt war ich fünf Nächte in Genf, davon habe ich zwei mit eigenen Mitteln finanziert. Viele andere Jugenddelegierten berichteten sogar, dass sie sich komplett selbst finanzieren. Leider sind Jugenddelegiertenprogramme in vielen Ländern nur für Jugendliche und junge Erwachsene aus privilegierten Familien zugänglich. Dies bedeutet, dass Jugendlichen und junge Erwachsenen aus einkommensschwachen Familien solche Möglichkeiten weitestgehend verschlossen bleiben und Ungleichheiten weiter verstärkt werden. In Deutschland sind einige Kosten durch das Bundesministerium gedeckt, jedoch habe auch ich beträchtliche Eigenmittel aufgewendet, u.a. für die freiwillig verlängerte Teilnahme an der WHA, die Hospitation in Berlin und Vernetzung mit der Jugend. Trotzdem ist die Etablierung des Jugenddelegiertenprogramms ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, um die Stimme der Jugend hervorzuheben. Für die Zukunft ist es notwendig, verstärkt auf die Prinzipen der Vereinten Nationen für sinnvolle Teilhabe junger Menschen in politischen Prozessen  zu achten und sicherzustellen, dass diese Prinzipien im deutschen Jugenddelegiertenprogramm vollständig integriert sind. Dazu gehört u.a. auch, dass Jugendliche und junge Erwachsene aus allen sozialen und ökonomischen Schichten, die Möglichkeit haben am Jugenddelegiertenprogramm teilzunehmen.

 

Zusammenarbeit mit dem Bundesgesundheitsministerium

Da das Jugenddelegiertenprogramm an das Bundesgesundheitsministerium angegliedert ist, arbeitet man direkt mit dem Ministerium bzw. dem Referat Z23 zusammen. Die Zusammenarbeit mit meiner Betreuungsperson im Referat lief sehr gut und auf Augenhöhe ab. Gleiches galt für die deutsche Delegation mit der ich in Genf vor Ort war. Alle standen mir bei Fragen zur Seite und ich bin oft mit der deutschen Delegation mitgelaufen und konnte so bei interessanten Terminen und Events teilnehmen.

Insgesamt war die Zusammenarbeit mit dem BMG in meinem Fall jedoch nicht so eng, wie anfangs gedacht. Hauptsächlich beschränkte diese sich auf regelmäßige Update-Meetings mit dem BMG und der GIZ sowie auf schriftlichen Input und Feedback zu meinem Arbeitsplan/Vorhaben, wie beispielsweise den Jugendkonsultationen und deren inhaltlicher Gestaltung. Gerne hätte ich in meiner Zeit als Jugenddelegierte noch einen tieferen Einblick in den Arbeitsalltag im Bundesministerium bekommen. Wie zuvor erwähnt ist man größtenteils auf sich selbst gestellt und muss selbst sicherstellen, dass Vorhaben und Events organisiert und umgesetzt werden. Zum einen hat dies viele Vorteile, man kann sich die Arbeit selbst einteilen und weitestgehend selbst gestalten. Zum anderen kann es jedoch auch überfordernd und zeitaufwendig sein. Im Durchschnitt habe ich ca. 10-12h/Woche für meine Arbeit als Jugenddelegierte aufgewendet, während der Hospitation im BMG und der WHA fiel der Zeitaufwand deutlich höher aus. Gerne möchte ich kurz anmerken, dass ich aus eigner Motivation heraus mehr Vorhaben und Pläne umgesetzt habe als mein Mandat verlangt und somit auch mehr Zeit aufgewandt habe. Als Jugenddelegierte/r kann man selbst entscheiden, wie viel Zeit man aufwenden möchte und wie diese eingeteilt wird. Zuletzt möchte ich noch erwähnen, dass es sich beim Jugenddelegiertenprogramm um eine unentgeltliche Position handelt, d.h. es wird keine Vergütung für die Arbeit bereitgestellt.

Fazit

Für mich war das Jugenddelegiertenprogramm eine sehr bereichernde und spannende, wenn auch fordernde Erfahrung, die ich anderen Public Health-Interessierten nur weiterempfehlen kann. Ich hatte viel Spaß und Freude daran mich mit jungen Menschen mit ähnlich großem Interesse an globaler Gesundheit auszutauschen und habe während meiner Zeit auch viele neue Menschen kennengelernt und neue Freundschaften geschlossen. Zudem habe ich verschiedene Fähigkeiten und Kompetenzen gewonnen sowie die ministerielle Arbeit des Bundesgesundheitsministeriums kennengelernt. Das Jugenddelegiertenprogramm ist eine tolle Chance für junge Erwachsene, ihre Perspektiven einzubringen und Jugendteilhabe in politischen Prozessen zu verbessern.

Zum Abschluss möchte ich mich bei allen Personen bedanken, die mich während meiner Zeit als Jugenddelegierte unterstützt haben. Insbesondere bei meinen beiden Vorgängerinnen Theresa und Anile, den Jugendvertretern des Global Health Hub Germany Sophie Gepp und Paul Schnase, Maurice Remy vom WHO Youth Council, Caroline Knop vom BVMD und Fenja Brandes von der DGPH sowie allen Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die an der Umfrage und den Jugendkonsultationen teilgenommen haben.

Zudem möchte ich mich ganz herzlich bei allen Mitarbeitenden des Referats Z23 und der GIZ bedanken, die mich während meiner Zeit begleitet und unterstützt haben und mir bei Fragen zur Seite standen.

 

Bildquelle: Miriam El-Mahdi

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