Von Kigali nach New York: Die Forderungen der Zivilgesellschaft zum NCD UN-HLM und warum sie für die G7-Länder wichtig sind

Beim 4. Globalen NCD-Forum in Kigali forderte die Zivilgesellschaft vor dem UN-Gipfel in New York mehr Einsatz gegen NCDs – auch die G7 sind gefragt.
Autorin: Sarbani Chakraborty, Senior Researcher, Klinik für Neurologie, Universitätsklinikum der TUM, und Zentrum für Globale Gesundheit, Fakultät für Medizin und Gesundheit, Technische Universität München, Deutschland
Das hochrangige Treffen der Vereinten Nationen (UN-HLM) zum Thema nicht übertragbare Krankheiten (NCDs) findet im September statt – in einer Zeit, die von der Besorgnis über die Kürzung der Entwicklungsfinanzierung für Gesundheit und die Schuldenkrise in den afrikanischen Ländern südlich der Sahara geprägt ist. Einer Region, wo die Krankheitslast besonders hoch ist. Nach Angaben der WHO starben im Jahr 2021 18 Millionen Menschen vor ihrem 70. Lebensjahr an einer nichtübertragbaren Krankheit. 82 % dieser vorzeitigen Todesfälle ereigneten sich in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen. Dennoch entfallen auf NCDs traditionell nur 2-3 % der Entwicklungsfinanzierung für Gesundheit (development assistance for health (DAH). Viele würden vielleicht sagen, dass es daher keine Rolle spielt, dass die DAH zurückgeht, weil die Auswirkungen auf NCDs marginal sind - aber genau das Gegenteil stimmt: Wenn Länder versuchen, die verlorenen Mittel zu ersetzen, besteht ein echtes Risiko, dass NCDs (erneut!) zugunsten von übertragbaren Krankheiten sowie der Mutter-Kind-Gesundheit, die traditionell über die DAH finanziert werden, vernachlässigt werden. Die globale Gesundheitsgemeinschaft steht an einem Scheideweg. Daher ist es an der Zeit, uns an die Forderungen der Zivilgesellschaft zu erinnern - insbesondere derjenigen, die mit NCDs leben.
Das 4. Globale Forum der NCD-Allianz, das vom 13. bis 15. Februar 2025 in Kigali, Ruanda, stattfand, war ein wichtiger Meilenstein, um den Forderungen der Zivilgesellschaft an die UN-HLM zu nichtübertragbaren Krankheiten in den Fokus zu rücken. Das Forum brachte über 700 Delegierte aus mehr als 66 Ländern zusammen, darunter führende Vertreter*innen der Zivilgesellschaft, politische Entscheidungsträger*innen, Gesundheitsexpert*innen und Jugendvertreter*innen. Das Ziel: die wachsende Belastung durch nichtübertragbare Krankheiten und psychische Gesundheitsprobleme weltweit überwinden. Das Forum stand unter dem Motto „A Time to Lead on NCDs“. Drei zentrale Themen zeichneten sich während des Forums ab: die beschleunigte Umsetzung evidenzbasierter Ansätze, die Finanzierung des Gesundheitswesens sowie die angemessene Einbeziehung von Menschen, die mit Krankheiten leben, unabhängig davon, ob sie übertragbar oder nicht übertragbar sind. Weltweit wächst das Bewusstsein dafür, dass diese Trennlinien künstlich sind – denn die meisten Menschen leben mit mehreren Erkrankungen gleichzeitig und brauchen deshalb einen integrierten, menschenzentrierten Ansatz in der Gesundheitsversorgung.
Die Stimmen der Unterstützer*innen von NCDs werden zunehmend lauter:
Integration von NCDs in die Gesundheitssysteme
Ein zentraler Diskussionspunkt auf dem Kigali-Forum war die Integration der Gesundheitssysteme - weg von Silos, hin zu Synergien in der globalen Gesundheit. Entscheidend dabei: NCDs dürfen bei Investitionen in Gesundheitssysteme nicht auf der Strecke bleiben. Das Forum hob die integrierte primäre Gesundheitsversorgung (PHC) als wichtigste Anlaufstelle für Menschen und Gemeinschaften hervor. Die Forumssitzungen befassten sich damit wie integrierte Gesundheitsdienste für HIV-, NCD- und psychischen Gesundheitsdiensten kosteneffizient gestaltet werden können und betonten die Vorteile eines einheitlichen Ansatzes in Einrichtungen der primären Gesundheitsversorgung. Ruanda, Mitveranstalter des Forums, präsentierte sein Engagement für die Integration von NCD-Diensten in die Gesundheitsversorgung – etwa durch Initiativen wie das PEN-Plus-Programm. Durch die Ausbildung von Krankenschwestern und die Ausstattung von Gesundheitsstationen dezentralisiert PEN-Plus die Versorgung von nichtübertragbaren Krankheiten, insbesondere in abgelegenen Gebieten. Dadurch sollen Vorsorgeuntersuchungen und die Nachsorge von Patient*innen verbessert werden. Das gemeindebasierte Krankenversicherungssystem des Landes erleichtert den Zugang zu diesen Leistungen zusätzlich. Da die Entwicklungsfinanzierung für Gesundheit zurückgeht, braucht es eine integrierte Versorgung, die auch NCDs einschließt, um mit weniger Mitteln mehr zu erreichen.
Ein starker Fokus auf Prävention und Kontrolle
Führsprecher*innen fordern verstärkt Investitionen in die Prävention und Kontrolle von NCDs ein, auf der Grundlage von Gerechtigkeit und Inklusion. Die Delegierten hoben hervor, wie wichtig innovative Finanzierungsmechanismen sind – sowohl für die Prävention als auch für eine nachhaltige Finanzierung der Gesundheitssysteme. Ruandas Gesundheitsminister, Dr. Yvan Butera, hob die proaktiven Maßnahmen seines Landes hervor, darunter Steuererhöhungen auf schädliche Produkte wie Tabak und Alkohol. Durch diese Maßnahmen ist der Tabakkonsums von 14 % auf 7 % zurückgegangen. Darüber hinaus haben das Rauchverbot in der Öffentlichkeit und die Einführung autofreier Tage zu einer Verbesserung der öffentlichen Gesundheit geführt.
Obwohl Gesundheitssteuern große Potenziale mitbringen, wird dieses politische Instrument in zahlreichen Ländern noch nicht ausreichend genutzt. In einem kürzlich erschienenen Artikel des IWF heißt es: „Obwohl Gesundheitssteuern sowohl für die Gesundheit als auch für die Einnahmen von Vorteil sind, werden sie nicht ausreichend genutzt und zu niedrig angesetzt. Der durchschnittliche Satz für die Tabaksteuer liegt bei 42 Prozent des Verkaufspreises und damit weit unter dem von der WHO angestrebten Wert von 75 Prozent. Die Steuersätze für Alkohol und zuckerhaltige Getränke sind noch niedriger. Außerdem halten die Gesundheitssteuern nicht mit der Inflation Schritt, sodass ihre Wirkung mit der Zeit nachlässt. Dadurch sind Zigaretten zwischen 2016 und 2022 in 41 Ländern erschwinglicher geworden.“ Und das obwohl die Raucherquote unter Jugendlichen in vielen Ländern – auch in Deutschland – nach wie vor hoch ist.
Robuste Datenerhebung und stärkere Rechenschaftspflicht
Die Teilnehmenden forderten nachdrücklich eine solide Datenerhebung und stärkere Forschung, um evidenzbasierte Politiken zu untermauern und Fortschritte bei den NCD-Zielen messbar zu machen. Die Genauigkeit und Verständlichkeit der Daten können durch Investitionen in digitale Gesundheitsinstrumente und -informationssysteme verbessert werden. Die Session „Advocacy for Accountability: What Gets Measured Gets Done“ („Eintreten für Rechenschaft: Was gemessen wird, wird umgesetzt.“) unterstrich wie wichtig eine systematische Datenerfassung für politische und strategische Entscheidungen ist. Die Sprecher*innen betonten dabei, dass es ohne verlässliche Daten schwierig ist, die Beteiligten zur Rechenschaft zu ziehen oder Fortschritte effektiv zu messen.
Das Forum unterstützte die Einführung des regionalen Rahmens der Ostafrikanischen Gemeinschaft (East Africa Community, EAC). Ziel des Rahmenwerks ist es, Politiken, Strategien und Maßnahmen zu nichtübertragbaren Krankheiten in allen Mitgliedsstaaten zu harmonisieren und einen gemeinsamen Ansatz zur Prävention und Kontrolle zu fördern. Es soll standardisierte Protokolle für die Verwaltung von Gesundheitsdaten einführen, um einen sicheren und effizienten Datenaustausch über Landesgrenzen hinweg zu ermöglichen.
Diese Ergebnisse werden die Agenda des diesjährigen NCD-High Level Meetings beeinflussen und die globalen Verpflichtungen zur Förderung von NCDs im Rahmen von Gesundheit und nachhaltiger Entwicklung stärken. Während sich die G7-Gesundheitsminister*innen auf das G7-Gipfeltreffen vom 15. bis 17. Juni 2025 in Kananaskis, Alberta, vorbereiten, ist es von zentraler Bedeutung, die Forderungen der Organisationen der Zivilgesellschaft im Vorfeld des UN-HLM zu berücksichtigen. In einer Zeit, in der es darum geht, mit weniger Mitteln mehr zu erreichen, sollten sich die G7-Gesundheitsminister*innen auf die Einbeziehung von NCDs in die Gesundheitssysteme als ein verbindendes Thema konzentrieren.