Global Health Talk 2023: “Everything, Everywhere, All at Once”

27. Juni 2023 I  News ,  News from the Hub  I von : STEFFI NOELTING

Der jährliche Global Health Talk ermöglicht Expert*innen den Austausch zu aktuellen Themen der globalen Gesundheit. In diesem Jahr kamen am 12. und 13. Juni über 200 Teilnehmende im Umweltforum Berlin zusammen; mehr als 80 schalteten sich digital hinzu.

Global Health Hub: Expert*innen zusammenbringen

„In der Politik sind wir auf Institutionen wie den Global Health Hub angewiesen!", betonte Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach in der Eröffnungsrede des Global Health Talks 2023. Dies zeigt deutlich, dass der Hub in den letzten Jahren zu einer der wichtigsten Plattformen für Expert*innen der globalen Gesundheit in Deutschland geworden ist. In diesem Jahr erhielten die Teilnehmer*innen der Konferenz Einblicke in die Diskussionen um globale Gesundheitsfinanzierung und das neue Policy Brief des Hubs zu diesem Thema. Zudem tauschten sich die Redner*innen zu vielen anderen Themen aus, die mit der Finanzierung von Gesundheit in Verbindung stehen, etwa zu globaler Gesundheitsarchitektur, Pandemievorsorge, Klimawandel und urbane Transformation. Um es mit den Worten von Prof. Dr. Ilona Kickbusch, Gründerin des Global Health Centre am Graduate Institute Geneva, zu sagen: „Wenn es um die globale Gesundheit geht, müssen wir alles überall gleichzeitig tun“.

Gesundheit für Alle: An die kollektive Verantwortung appellieren

Im Jahr 2020 lud Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesus, Generaldirektor der WHO, zehn renommierte Wirtschaftswissenschaftlerinnen ein zu überprüfen, ob und wie die globale Gemeinschaft ihre Ziele im Gesundheitswesen erreichen kann. Im Council on the Economics of Health for All stellten sich die Expertinnen die Frage, wie wir unsere Wirtschaft umgestalten müssen, um eine bessere "Gesundheit für Alle" zu ermöglichen. Die Vorsitzende des Rates, Prof. Dr. Mariana Mazzucato, präsentierte die wertvolle Arbeit des Rates. So sind die Expertinnen beispielsweise der festen Überzeugung, dass wir uns wirtschaftlich von mehr als dem Bruttoinlandsprodukt leiten lassen müssen sowie kollektives geistiges Eigentum brauchen. Nur so können wir gesunde, gerechte und nachhaltige Gesellschaften aufbauen. 

Mazzucatos Kollegin und Ratsmitglied Prof. Dr. Ilona Kickbusch unterstrich die Bedeutung kollektiver Intelligenz und Verantwortung in ihrem Redebeitrag. Für sie ist "Gesundheit für Alle" auch eine Frage der Gerechtigkeit. „Zu lange haben wir uns nicht um die schwächsten und verletzlichsten Menschen gekümmert", erläuterte sie. „Das rächt sich jetzt, wie wir in der Pandemie gesehen haben". Doch es ist nicht einfach, die Probleme einer vernetzten Welt zu lösen. Von der Geopolitik und Wissenschaft bis hin zu Biotechnologie und künstlicher Intelligenz – die Welt verändert sich derzeit rasant auf vielen Ebenen. „Und die Gesundheit ist ein Teil dieser Entwicklungen", betonte sie. Dies wissen auch Entscheidungsträger*innen in Politik und Wirtschaft, die von einer Verhandlung zur nächsten reisen und einen Fonds nach dem anderen einrichten. Kickbusch forderte alle Regierungen auf, Ressourcen effektiver zu nutzen und sprach sich für eine agile und innovative WHO im Zentrum aller Gesundheitsverhandlungen aus. Die WHO sollte den Schwächsten eine Stimme geben, Grundrechte verteidigen und ihre Mitgliedsstaaten zur Verantwortung ziehen.

Neben den Entscheidungsträger*innen auf ranghöchster Ebene hob Kickbusch die Parlamentarier als entscheidende Gruppierung in der Politik hervor. Dies unterstrich auch der deutsche Parlamentarier Prof. Dr. Andrew Ullmann: „Wir unterschätzen die Macht der Parlamentarier", sagte er. „Dabei sind unsere Befugnisse ganz klar: Wir bringen Resolutionen ein und haben Vollmacht über Haushaltsentscheidungen." Er verwies auf den Unterausschuss Globale Gesundheit im Deutschen Bundestag, dessen Mitgliederzahl sich in nur sechs Jahren verdoppelt hat und der dazu beitrug, wichtige gesundheitspolitische Beschlüsse zu verabschieden. Tina Rudolf, ebenfalls Parlamentarierin und Mitglied des Unterausschusses, berichtete, dass der Deutsche Bundestag im Mai einen Antrag der Ampelfraktion angenommen hat, in dem u.a. gefordert wird, die Pflichtbeiträge auf einen Anteil von 50 Prozent des Kernbudgets der WHO bis spätestens 2030 / 2031 anzuheben – ein starkes Signal für andere Staaten. Kickbusch reflektierte: „Es gab eine Zeit, in der es in Deutschland keine Community für globale Gesundheit gab. Aber jetzt gibt es sie und alle Beteiligten können wirklich stolz sein!"

Globale Gesundheitsfinanzierung: Ein zukunftsweisendes Strategiepapier auf den Weg bringen

Nachdem die Expert*innen am ersten Tag der Konferenz besprachen, wie "Gesundheit für Alle" ermöglicht werden kann, ging es am zweiten Tag um die Frage der Finanzierung. Niels Annen, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ ), forderte: „Wir müssen aufhören, die Gesundheitsfinanzierung als Kostenpunkt zu betrachten. Stattdessen müssen wir sie als Investition in unser soziales und wirtschaftliches Wohlergehen begreifen." Doch was bedeutet das für ein Geberland wie Deutschland? Annen beschrieb ein einige Ansätze:

  1. Bessere Entscheidungen über Investitionen und Nutzung der verfügbaren Mittel und Ressourcen treffen;
  2. Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen bei der Mobilisierung von inländischen Ressourcen unterstützen;
  3. Unterstützung bei der Etablierung effektiver Mechanismen im Gesundheitsschutz;
  4. Privaten Sektor einbinden;
  5. Bilaterale Schulden in gezielte Investitionen in die öffentliche Gesundheit umwandeln.

In der nachfolgenden Podiumsdiskussion entwickelte Prof. Dr. Jayati Ghosh, Professorin für Wirtschaftswissenschaften an der University of Massachusetts Amherst und Mitglied im Council on the Economics of Health for All, einige der Gedanken ihres Vorredners weiter. Sie stellte klar, dass die Wirtschaft den Menschen und dem Planeten dienen sollte und nicht umgekehrt. „Gesundheit für Alle und gerechte Gesellschaften kann es nur innerhalb der planetarischen Grenzen und mit einer Wirtschaft geben, die zu unseren sozialen Zielen beiträgt", erklärte sie. "Dafür braucht es die Mitwirkung Aller, nicht nur Einzelner. So müssen sich beispielsweise neben dem Gesundheitsministerium auch die Ministerien für Finanzen, für Wissenschaft und Technologie und für Umwelt um die Gesundheit kümmern." Diese Zuständigkeiten beleuchteten Björn Kümmel, stellvertretender Leiter des Referats Globale Gesundheit im Bundesministerium für Gesundheit (BMG), und Dr. Wolfram Morgenroth-Klein, Leiter des Referats Pandemieprävention und -vorsorge, One Health im BMZ, auf nationaler Ebene. Dr. Christoph Benn, Direktor Globale Gesundheitsdiplomatie am Joep Lange Institut, hob die Vorteile regionaler Investitionen hervor. Für Gosh allerdings war klar: Viele gesundheitsbezogene Herausforderungen kennen keine Grenzen mehr und erfordern daher eine globale Finanzierung. Sie präsentierte eine Reihe konkreter Ideen, um "Gesundheit für Alle" als Weltgemeinschaft zu finanzieren – von der globalen Besteuerung multinationaler Unternehmen, über die Umwandlung von Schulden in Gesundheitsinvestitionen bis hin zum Kampf gegen die Monopolisierung von Wissen. Letztlich waren sich alle Redner*innen einig, dass die internationale Gemeinschaft bei der kollektiven Finanzierung der globalen Gesundheit bereits große Schritte nach vorn gemacht hat.

Lesen Sie hier einen ausführlichen Artikel über diese Session

Heiß, heißer, am heißesten: Mit kühlem Kopf auf Hitze vorbereiten

Je wärmer die Erde ist, desto grösser sind die Risiken für unsere Gesundheit. Prof. Dr. Johan Rockström, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), fasste die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse zusammen: die 1,5°C-Grenze, 16 Klimakipppunkte und neun planetarische Grenzen, von denen wir sechs gerade überschreiten oder bereits überschritten haben. Für Rockström ist klar: „Wenn wir so weitermachen, werden viele Regionen auf unserem Planeten unbewohnbar werden. Wir müssen menschlichen Wohlstand und soziale Inklusion innerhalb unserer planetaren Grenzen anstreben. Klima und Gesundheit sind miteinander verwobene globale Güter. Wenn wir uns für globale Gesundheit einsetzen, erreichen wir Entscheidungsträger*innen und Bürger*innen gleichzeitig mit der Idee für mehr Klimaschutz." 

Einen Vorgeschmack darauf, was diese Verquickung praktisch für Entscheidungsträger*innen bedeutet, erhielten die Zuhörer*innen in der anschließenden Übung, präsentiert von Katrin Lea Heil, Beraterin bei der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), und Sarah Splettstößer, Leiterin des politischen Dialogs des Global Health Hub Deutschland. Als Bürgermeister der fiktiven Stadt Grandurbia entschieden die Teilnehmenden, wie sie sich auf anstehende Hitzewellen vorbereiten würden. Zurück in der Diskussion um reale Städte, forderte Prof. Dr. Anna-Katharina Hornidge gemeinsame, aber differenzierte Verantwortung. Die G7-Länder tragen laut Hornidge weltweit mehr Verantwortung als andere Staaten, und haben zudem auch mehr Möglichkeiten, sich an Hitze anzupassen, die Folgen zu mildern und zu bewältigen. Nathalie Nidens sieht die Notwendigkeit kurzfristiger Klimaschutzmaßnahmen und Sensibilisierungskampagnen, während Dr. Peter Tinnemann empfiehlt, mehr Daten zu sammeln und zu nutzen.

Lesen Sie hier einen ausführlichen Artikel zu den Klimadiskussionen

 

Gesundheit in der Stadt: Den Menschen ein Fenster öffnen

Im 21. Jahrhundert leben die meisten Menschen in Städten und so ist die menschliche Gesundheit heute nicht mehr von der Gesundheit städtischer Bevölkerung zu trennen. Das Leben in der Stadt hat Vor- und Nachteile, je nach Status, Geschlecht und Alter. Zum einen bieten Städte Arbeitsplätze, Kontaktmöglichkeiten und Gesundheitsversorgung, andererseits sind sie oft voll, laut und schmutzig. Gil Penalosa, Gründer von 8 80 Cities, war als Berater weltweit in mehr als 350 Städten tätig und weiß, was häufig schief läuft: „Wir haben in unseren Städten vieles falsch gemacht. Sie sind schlecht für die mentale Gesundheit, verschmutzen die Umwelt und tragen zum Klimawandel bei. Das müssen wir in den nächsten Jahren dringend ändern. Und wir wissen, wie das klappen kann – es ist nicht kompliziert! Aber wir müssen vom Reden zum Handeln übergehen. Denn ob es uns gefällt oder nicht, wir werden immer mehr Städte haben. Und wenn wir genauso weiter machen wir bisher, wird es nicht besser werden.“

Dr. Carlos Dora, Präsident der International Society for Urban Health (ISUH), stimmte Penalosa zu. Auch Dora sieht keinen Mangel an guten Ideen oder am Verständnis dafür, was für die Gesundheit in Städten wichtig ist. Seiner Meinung nach besteht das größte Hindernis darin, die verschiedenen Sektoren miteinander zu verknüpfen und die Beteiligten zusammenzubringen, um die notwendigen Veränderungen umzusetzen. Penalosa vergleicht dies mit einem großen Puzzle: Während sich alle Akteure um das eigene Puzzleteil kümmern, arbeiten sie doch mit einer gemeinsamen Vision am gleichen Puzzle. Dr. Priya Balasubramaniam Kakkar, Leiterin der Gesundheitswissenschaften der Public Health Foundation of India, legte Entscheidungsträger*innen einige Empfehlungen ans Herz:

  1. Nutzen Sie Partnerschaften. Die Einwohner*innen müssen bei städtischen Planungen mitreden dürfen.
  2. Thematisieren Sie die Gesundheit in den Städten. Untersuchen Sie, wie die Menschen schlafen, atmen und mit ihrer psychischen Gesundheit umgehen.
  3. Nutzen Sie digitale Lösungen.

Und wie möchte der Global Health Hub zur Diskussion um die Gesundheit in Städten beitragen? Dr. Carsten Butsch, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Bonn, kündigte eine Reihe von Webinaren in Zusammenarbeit mit der Hub Community on Global Urban Health an, in denen Ideen und bewährte Methoden aus der ganzen Welt vorgestellt werden. Darüber hinaus wird der Hub weitere Forschungsergebnisse zusammentragen und Toolkits zur Stadtdiagnose zur Verfügung stellen.

Lesen Sie den neuesten Policy Brief der Hub Community!

Und nun?

Am Ende der zwei aufschlussreichen Tage mit vielfältigen Diskussionen und thematisch breiten Inputs resümierten die Organisator*innen, dass der Gesundheitssektor nicht in einem Vakuum existiert, sondern untrennbar mit vielen anderen Sektoren verbunden ist, darunter Klima, Finanzen und Stadtplanung. Für die Vorsitzenden des Lenkungskreises Sophie Gepp und Dr. Christoph Benn bedeutet dies eine wachsende Anzahl an Aktivitäten im Hub:

  • Organisation von Impulsdialogen und Veranstaltungen,
  • Austausch zu digitalen Technologien,
  • Beitrag zu globalen Gesundheitsstrategien, zum Beispiel bei den bevorstehenden Treffen in New York.

Und all dies wird durch den kollaborativen Geist der Hub Communities vorangetrieben!

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