Nichtstaatliche Positionen zur Zukunft der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit im Gesundheitssektor
Die internationale Zusammenarbeit im Bereich globale Gesundheit erfährt im bundesdeutschen Kontext derzeit aus zwei Richtungen Gegenwind: Zum einen ist die öffentliche Unterstützung für ein internationales Engagement der Bundesregierung rückläufig – man erinnere sich an die Diskussion um Radwege in Peru. Zum anderen sollen im Bundeshaushalt Milliarden Euro eingespart werden, mit einem nicht unerheblichen Anteil im Haushaltstitel des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ).
Seit Antritt der neuen Bundesregierung legt Bundesministerin Reem Alabali Radovan in ihren öffentlichen Äußerungen einen Fokus auf die multilaterale Zusammenarbeit. Dies führt zu der Sorge, auch unter Hub-Mitgliedern, dass sich die Bundesregierung aus der gesundheitsbezogenen bilateralen Entwicklungszusammenarbeit zurückziehe. Schon in der Sommerpause richteten verschiedene nichtstaatliche Akteursgruppen Briefe an die Ministerin, um die Bedeutung der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit hervorzuheben. Die Briefe liegen der Redaktion vor und werden hier zusammengefasst.
Gesundheit als Menschenrecht und zentrales Querschnittsthema
Gesundheit ist ein fundamentales Menschenrecht und zugleich ein zentrales Querschnittsthema für die Bekämpfung von Armut, die Förderung von Frieden und Stabilität, die Anpassung an den Klimawandel sowie die Stärkung von Frauen, Bildung und Gleichberechtigung. Globale Gesundheit betrifft auch Deutschland unmittelbar, da Gesundheitsrisiken wie Pandemien oder die Folgen des Klimawandels nicht an nationalen Grenzen haltmachen. Prävention und der Aufbau resilienter Gesundheitssysteme in den Partnerregionen sind daher von entscheidender Bedeutung.
Globale Gesundheitsförderung als Dreigestirn: multilateral, bilateral und zivilgesellschaftlich
Die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit im Bereich globale Gesundheit wird als zentrales Instrument betrachtet, um auf die zunehmende Komplexität gesundheitlicher Herausforderungen, die vielschichtigen geopolitischen Dynamiken sowie die angespannte Finanzierung im globalen Gesundheitssektor zu reagieren. Vor diesem Hintergrund wird ein diversifizierter Ansatz betont, der multilaterale, bilaterale und zivilgesellschaftliche Zusammenarbeit als sich ergänzende Säulen einschließt. Als Beispiel wird unter anderem die BACKUP-Initiative der GIZ als zentrale Umsetzungs- und Konsultationsstruktur für das multilaterale Instrument Globaler Fonds angeführt. Darüber hinaus ergänzen bilaterale die multilateralen Ansätze: Sie ermöglichen eine zielgerichtete und bedarfsgerechte Unterstützung der Partnerländer, insbesondere zur Verbesserung der Gesundheitssysteme und zur Versorgung besonders vulnerabler Gruppen. Durch ihre Nähe zu den Zielgruppen, auch in entlegeneren Regionen, fördern insbesondere zivilgesellschaftliche und wissenschaftliche Projekte Vertrauen, Teilhabe und Eigenverantwortung vor Ort. Die Flexibilität der bilateralen Zusammenarbeit erlaube schnelle Anpassungen und Innovationen, die als Modell für größere Programme dienen können. Zudem stärken sie durch enge Zusammenarbeit mit lokalen Partnern Kapazitäten und erfüllen wichtige Advocacy- und Kontrollfunktionen. Besonders die unabhängigen und vielfältigen Stimmen der Zivilgesellschaft tragen dazu bei, kontextsensibles Wissen in die entwicklungspolitischen Prozesse einzubringen.
Stärkung Deutschlands als Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort
Die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und bilateraler Entwicklungszusammenarbeit bietet Potenzial, die Effizienz und Relevanz beider Seiten zu erhöhen und die unabhängige Forschung sowie besonders den Wissenschaftsstandort Deutschland zu stärken. Darüber hinaus stellt die industrielle Gesundheitswirtschaft mit einem Jahresumsatz von über 100 Milliarden Euro, mehr als einer Million Beschäftigten und einem Anteil von rund neun Prozent am deutschen Gesamtexport eine bedeutende Säule der Volkswirtschaft dar. Viele Unternehmen engagieren sich seit Jahren in Partnerländern, etwa durch Programme wie develoPPP oder die Integrated Healthcare Initiative AYA. Dies trägt zur Stärkung der Gesundheitssysteme in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen bei und erschließt gleichzeitig neue Märkte, was besonders unter den aktuellen globalen Herausforderungen von strategischer Bedeutung ist. Deutschlands Führungsrolle zeigt sich in der Sichtbarkeit, Qualität und Wirksamkeit seiner Entwicklungszusammenarbeit. Bilaterale Programme stärken nicht nur die Partnerländer und nehmen deren Interessen auf, sondern stärken auch deutsche Durchführungsorganisationen wie GIZ und KfW, Unternehmen, Forschungseinrichtungen sowie zivilgesellschaftliche Akteure.
Die unterzeichnenden Organisationen und Einzelpersonen, von denen viele Mitglieder des Global Health Hub Germany sind, betonen den vielfältigen Bedarf an und die Relevanz der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit im Gesundheitssektor. Eine einseitige Schwerpunktverlagerung auf die multilaterale Zusammenarbeit berge das Risiko, bewährte Strukturen und Partnerschaften zu schwächen. Eine ausgewogene und strategisch ausgerichtete Kombination aus multilateraler, bilateraler und zivilgesellschaftlicher Zusammenarbeit wird daher als unerlässlich für eine wirksame, gerechte und zukunftsfähige globale Gesundheit angesehen.
Öffentliche Quellen:
Zivilgesellschaftliche Organisationen: Stärkung der vielfältigen Ansätze der gesundheitsbezogenen Entwicklungszusammenarbeit (Link)
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