Globale Gesundheit im Fokus: Ein Interview mit Serdar Yüksel (SPD)

06. Oktober 2025 I  News ,  Politics  I von : Global Health Hub Germany
Serdar Yüksel (SPD) Photo provided by his parliamentary office

In dieser Interviewreihe sprechen wir mit politischen Entscheidungstragenden, wie globale Gesundheit künftig auch ohne eigenen Unterausschuss dauerhaft im deutschen Bundestag verankert werden kann und welche Rolle Deutschland in Zukunft spielen sollte. Unser Gast heute ist Serdar Yüksel, Berichterstatter für globale Gesundheit der SPD.

Sie sind Berichterstatter für globale Gesundheit in Ihrer Fraktion: Was sind für Sie die wichtigsten Herausforderungen im Bereich globale Gesundheit in der laufenden Legislaturperiode?  

Aus meiner Sicht stehen wir vor mehreren großen Aufgaben. Die Pandemie hat uns gezeigt, wie verletzlich die Weltgemeinschaft ist. Deshalb geht es jetzt darum, das neue Pandemieabkommen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die Reform der Internationalen Gesundheitsvorschriften, kurz IHR (International Health Regulations), nicht nur zu ratifizieren, sondern auch wirklich umzusetzen – und zwar so, dass auch Länder mit schwachen Gesundheitssystemen profitieren. Gleichzeitig dürfen wir nicht länger warten, nichtübertragbare Krankheiten, kurz NCDs, und psychische Gesundheit auf die politische Agenda zu setzen. Die Ziele der Agenda 2030 sind in diesem Bereich deutlich in Gefahr. Dazu kommen Herausforderungen wie Antimikrobielle Resistenzen (AMR), die Folgen der Klimakrise für die Gesundheit und der Kampf gegen Desinformation. Und all das braucht eine stabile Finanzierung unserer multilateralen Partner – also der WHO, des Global Fund (Globaler Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria) und von Gavi (Globale Impfallianz) – auch in Zeiten von Haushaltsdruck. Gerade das erratische Verhalten von Donald Trump und seiner damaligen US-Regierung, die etwa aus internationalen Verpflichtungen ausgestiegen ist, macht deutlich: Wenn sich die USA zurückziehen, wächst die Verantwortung für Europa und für Deutschland noch einmal erheblich. Eigentlich kann die Weltgemeinschaft auf die finanziellen Ressourcen und auch auf die politische Unterstützung der USA nicht verzichten. Umso mehr müssen wir uns für stabile multilaterale Strukturen einsetzen.

 

Was sind die Schwerpunkte des Gesundheitsausschusses mit Blick auf globale Gesundheit und welche Themen wollen Sie persönlich im Bereich globale Gesundheit voranbringen?  

Im Gesundheitsausschuss liegt unser Fokus zunächst auf der Umsetzung der internationalen Vereinbarungen – also dem Pandemieabkommen und der IHR-Reform. Ich persönlich möchte vor allem das Thema NCDs und mentale Gesundheit voranbringen. Hier strebe ich an, dass wir als Bundestag eine klare Entschließung fassen, die der Bundesregierung Rückhalt für das UN High-Level Meeting im September gibt. Ebenso wichtig ist mir, dass wir unsere Beiträge an die WHO, den Global Fund und Gavi langfristig absichern und nicht von Jahr zu Jahr infrage stellen. Ein weiteres großes Anliegen ist die One-Health-Agenda, also die Verzahnung von Mensch-, Tier- und Umweltgesundheit, gerade im Kampf gegen AMR. Auch hier sehen wir, dass wir nicht davon ausgehen können, dass die USA dauerhaft als verlässlicher Partner auftreten – umso mehr müssen wir als Europäer Verantwortung übernehmen.

 

Wie kann globale Gesundheit künftig ohne eigenen Unterausschuss im Parlament verankert werden?  

Auch ohne eigenen Unterausschuss können wir globale Gesundheit gut verankern. Entscheidend ist, dass es feste Berichterstatterrollen gibt, die den Blick über den nationalen Tellerrand sicherstellen. Außerdem brauchen wir regelmäßige Regierungsberichte zur globalen Gesundheit, die wir im Ausschuss öffentlich beraten. Und wir müssen enger mit den anderen Ausschüssen – etwa Auswärtiges, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Forschung und Umwelt – zusammenarbeiten. So schaffen wir eine Art Querschnittsverankerung, die globale Gesundheit in allen Politikfeldern mitdenkt.

 

Globale Gesundheit ist ein Bereich, in dem multisektorale Zusammenarbeit wichtig ist: Wie tragen Sie dazu bei, dass gesundheitspolitische Aspekte in Bereichen wie z.B. Entwicklungs-, Forschungs-, Außen- oder Umweltpolitik in Ihrer Fraktion mitgedacht und integriert werden?

In der SPD-Fraktion arbeiten wir hier schon sehr eng zusammen. Wir haben eine übergreifende Arbeitsgruppe (AG) zur globalen Gesundheit, die Kolleginnen und Kollegen aus verschiedenen Fachbereichen zusammenbringt. So stellen wir sicher, dass gesundheitspolitische Aspekte auch in der Entwicklungs-, Außen- oder Umweltpolitik berücksichtigt werden. Mir ist wichtig, dass wir ein echtes „Health in All Policies“-Prinzip leben: Jede politische Entscheidung wird daraufhin geprüft, welche Folgen sie für die Gesundheit hat. Und wir beziehen dabei auch Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Sozialpartner in den Dialog ein.

 

Wie stellen Sie sicher, dass die zugesagten internationalen Gesundheitsbeiträge (z. B. an WHO, Global Fund, Gavi) auch unter Haushaltsdruck eingehalten werden?  

Es ist richtig, dass wir uns in einer angespannten Haushaltslage befinden. Aber gerade in Krisenzeiten müssen internationale Beiträge verlässlich bleiben. Deshalb setze ich mich für mehrjährige Verpflichtungen im Haushalt ein – so schaffen wir Planbarkeit für die WHO, den Global Fund und Gavi. Gleichzeitig wollen wir die Wirkung unserer Mittel noch transparenter machen. Wichtig ist auch, zusätzliche Finanzierungsinstrumente zu prüfen – wie z.B. Debt2Health (Schuldenerlass gegen Gesundheitsinvestitionen) –, aber sie dürfen die Grundfinanzierung nicht ersetzen. Besonders mit Blick auf die Unsicherheiten, die durch das erratische Verhalten der Trump-Regierung entstanden sind, müssen wir uns bewusst machen: Wenn die USA aussteigen, fällt die Stabilität des gesamten Systems. Deshalb ist es so zentral, dass Deutschland und Europa ihre Zusagen nicht nur machen, sondern auch einhalten.

 

Im September fand das vierte UN High-Level Meeting zu nichtübertragbaren Krankheiten (NCDs) und mentaler Gesundheit statt. Welche Rolle kann der Gesundheitsausschuss konkret dabei spielen, NCDs und mentale Gesundheit stärker politisch anzugehen? ​​​​​​​ 

Das High-Level Meeting ist eine große Chance. Der Gesundheitsausschuss kann dazu beitragen, indem wir die Bundesregierung mit einem klaren Mandat ausstatten: Wir wollen, dass Deutschland ehrgeizige Ziele unterstützt und deren Umsetzung mitträgt. Dazu gehört auch, dass wir im Vorfeld Betroffene, Fachverbände und Wissenschaft anhören und deren Expertise in die deutsche Position einfließen lassen. Und nach dem Treffen darf es nicht beim Papier bleiben: Wir brauchen einen jährlichen Fortschrittsbericht zur Umsetzung, den wir im Bundestag beraten.

 

"There is no glory in prevention” - gleichzeitig ist Prävention ein kosteneffizientes Mittel zur Eindämmung der NCD-Epidemie: Wie sollte Deutschland Ihrer Ansicht nach zur Finanzierung von Prävention und Behandlung von NCDs beitragen?

Prävention hat oft nicht den großen Glanz, ist aber das wirksamste Mittel gegen die NCD-Epidemie. Deutschland sollte daher international in bewährte Strukturen investieren: also in Gavi, wenn es um Impfprävention geht, und in den Global Fund, wenn es um den Aufbau starker Gesundheitssysteme geht. Die WHO unterstützt mit klaren Empfehlungen – den sogenannten „Best Buys“ – Maßnahmen wie Tabak- und Alkoholpolitik oder Salz- und Zuckerreduktion. National und europäisch sollten wir Einnahmen aus Verbrauchssteuern – etwa auf zuckerhaltige Getränke – stärker in Prävention investieren. Und wir brauchen gezielte Pakete für Primärversorgung, Früherkennung, psychische Gesundheit und digitale Prävention. Gerade weil die USA unter Trump gezeigt haben, dass sie sich jederzeit aus internationalen Programmen zurückziehen können, ist es umso wichtiger, dass Deutschland und Europa als verlässliche Säulen für Prävention und Versorgung auftreten.

 

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