Eine gemeinsame Vision für die globale Gesundheit: Der Bericht der Lancet One Health Commission

Der Bericht der Lancet One Health Commission fordert ein integriertes Handeln für die Gesundheit von Mensch, Tier und Planet und verknüpft dabei systemisches Denken mit Politik, Wissenschaft und Bildung.
Warum One Health gerade jetzt entscheidend ist
Der am 17. Juli 2025 veröffentlichte Bericht der Lancet One Health Commission (LOHC) unterstreicht die Dringlichkeit eines koordinierten Vorgehens in den Bereichen menschliche, tierische und ökologische Gesundheit. Die Kommission wurde 2019 unter der gemeinsamen Leitung von Prof. Dr. John Amuasi (Kwame Nkrumah University of Science and Technology) und Prof. Dr. Dr. Andrea S. Winkler (Klinik und Poliklinik für Neurologie, TUM Universitätsklinikum und Center for Global Health, TUM School of Medicine and Health, Technische Universität München (TUM)) gegründet. Ein interdisziplinäres Expertengremium erarbeitete darin die wissenschaftliche Grundlage und konkrete Strategien für die weltweite Umsetzung von One Health.
Der Bericht unterstreicht, dass menschliches Wohlergehen untrennbar mit Tiergesundheit und Umwelt im Einklang steht. Oder wie Prof. Winkler es formuliert: „Menschliche Gesundheit kann nicht losgelöst von der Gesundheit unseres Planeten bestehen.“ Der Bericht liefert eine umfassende und bereichsübergreifende Analyse der zentralen globalen Gesundheitsprobleme – von Infektionskrankheiten, und antimikrobielle Resistenzen (AMR) über chronische Erkrankungen und dysfunktionale Gesundheits- und Ernährungssysteme bis hin zu Klimawandel, Biodiversitätsverlust, Umweltverschmutzung sowie Wasserknappheit. Die Ursachen dieser Probleme liegen in der schnellen Industrialisierung, Urbanisierung und Globalisierung. Diese Entwicklungen haben zwar zu einer höheren Lebenserwartung beigetragen, gleichzeitig aber komplexe Risiken geschaffen, die keine Fachdisziplin oder Branche allein bewältigen kann. Der Bericht gibt deshalb konkrete Handlungsempfehlungen für Entscheidungstragende, Forschende und Fachkräfte, um diese Herausforderungen mit einem ganzheitlichen, sozioökologischen Systemansatz zu begegnen.
Ein systemischer Ansatz für globale Gesundheitskrisen
Klimawandel, Artensterben und Umweltverschmutzung bilden eine dreifache planetare Bedrohung, die sich mit dem weltweiten Anstieg chronischer Erkrankungen (NCDs) und antimikrobieller Resistenzen (AMR) überlagert. Diese eng verflochtenen Krisen lassen sich nur durch integrierte, interdisziplinäre Lösungen bewältigen. Das One Health-Modell setzt genau hier an: Es verbindet die Prinzipien von Ganzheitlichkeit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit und basiert auf einem Leitfaden, der drei tragende Säulen umfasst:
- Governance: Überwindung sektoraler Fragmentierung durch die Verankerung von One Health-Prinzipien in globale, regionale und nationale Steuerungsstrukturen; Förderung partizipativer, inklusiver und sektorenübergreifender Zusammenarbeit; sowie institutionelle Reformen nach dem Prinzip „One Health in All Policies“.
- Ökonomie: Eintreten für einen Paradigmenwechsel weg von rein BIP-orientiertem Wachstum hin zu Wirtschaftsmodellen, die gerechte, nachhaltige und gesunde sozioökologische Systeme in den Mittelpunkt stellen. Dazu gehören innovative Finanzierungsmechanismen für One Health-Initiativen sowie die Einbindung neuer ökonomischer Konzepte wie Doughnut Economics und Wellbeing Economy.
- Wissen: Stärkung von Bildung, Forschung und Wissensaustausch durch die Integration von One Health-Kompetenzen in die Hochschulbildung, die Einbeziehung vielfältiger Wissenssysteme (einschließlich indigener und generationenübergreifender Perspektiven) sowie die Befähigung von Bürger*innen und Fachkräften, den systemischen Wandel aktiv mitzugestalten.
Die Kommission unterstreicht zudem die Bedeutung einer verbesserten Krankheitsüberwachung, die auf integrierten Datensystemen basieren muss und die Bereiche Mensch, Tier und Umwelt miteinander verbindet. Ein One Health-Ansatz zu Infektionskrankheiten geht über Zoonosen hinaus und umfasst auch vernachlässigte Tropenkrankheiten (NTDs), die Gesundheit von Nutztieren sowie die Auswirkungen auf Ernährungssicherheit und Lebensgrundlagen. Maßnahmen gegen antimikrobielle Resistenzen (AMR) müssen Umweltfaktoren berücksichtigen und zugleich einen gerechten Zugang zu wirksamen Antimikrobiotika weltweit gewährleisten.
Nichtübertragbare Krankheiten (NCDs) wurden im Rahmen von One Health bislang häufig vernachlässigt. Dabei teilen sie viele sozioökologische Risikofaktoren, wie etwa Umweltverschmutzung, ungesunde Ernährungsgewohnheiten und Klimawandel. Der Bericht fordert daher eine inklusive Steuerung und sektorenübergreifende Zusammenarbeit, um diese Krankheiten ganzheitlich anzugehen. Ernährungssysteme, als komplexe sozioökologische Systeme, müssen transformiert werden, um Sicherheit, Versorgung und Nachhaltigkeit zu gewährleisten und gleichzeitig Probleme wie Unternehmensdominanz, Finanzialisierung und Auswirkungen auf Lieferketten zu adressieren.
Ein Aufruf zum Handeln für eine gesündere Zukunft
Der Bericht der Lancet One Health Commission ist weit mehr als ein wissenschaftlicher Meilenstein – er ist ein entschlossener Aufruf zum Handeln. Um die heutigen komplexen Herausforderungen im Gesundheits- und Umweltbereich wirksam anzugehen, müssen wir neue Denkweisen entwickeln, die über isolierte Ansätze hinausgehen und die Zusammenarbeit aller relevanten Sektoren und Disziplinen fördern.
Die Erreichung dieses Ziels erfordert mutige Kooperationen über alle Sektoren hinweg – einschließlich der Industrie – und auf allen regionalen Ebenen, getragen von den Werten Fairness, langfristige Tragfähigkeit und verantwortungsbewusste Steuerung. Es ist entscheidend, dass Politikverantwortliche, Forschende und Fachkräfte die praktischen Empfehlungen der Kommission umsetzen, indem sie One Health-Prinzipien in Governance-Strukturen, Wirtschaftspolitik und Wissensaustauschplattformen integrieren. Auf diese Weise stellen wir sicher, dass sozioökologische Systeme robust genug sind, um zukünftigen Bedrohungen zu begegnen, und das Wohlbefinden allen Lebens auf der Erde gefördert wird. Blicken wir auf die Agenda nach 2030, muss One Health im Zentrum globaler Gesundheitsstrategien stehen. Es wird Innovation vorantreiben, inklusive Partnerschaften stärken und eine nachhaltige, gerechte und gesunde Zukunft für kommende Generationen sichern.
Werden Sie Teil der globalen Bewegung für integrierte Gesundheit – lesen Sie den vollständigen Bericht und nutzen Sie die bereitgestellten Ressourcen, um aktiv Veränderungen zu gestalten!
Hier geht es zum vollständigen Open-Access-Bericht der Lancet One Health Commission (LOHC)
Weitere Ressourcen und Hintergrundmaterialien sind auf hier verfügbar
Kommentar: One Health for all: why gender inlcusion matters (The Lancet)